Kochen ist älter als alle anderen Künste. Kochen ist eine Kunst. Neugierig kommen wir auf diese Welt. Fassen alles an, stecken alles in den Mund. Zusammen mit dem Begreifen der Welt erschlecken wir sie uns. Noch vor der Sprache. So nehmen wir zuerst in uns auf, was direkt um uns ist, dann die ganze Wohnung, dann die Umgebung – und endlich die ganze Stadt. Wir begreifen und erschlecken uns den architektonischen Raum, die Dinge in ihm und bilden daraus Heimat. Im Mittelpunkt meines Buches steht der lebendige Mensch, neugierig um sich schauend, nach Schmackhaftem suchend. Das Schmecken ist aber auch ein Kontrollsystem, welches bestimmte Dinge auswählt und andere zurückweist. Kann ich deshalb fragen: „Schmeckt dieses Haus gut?“ Denn Schmecken ist wie Schauen, Hören und Riechen ein Wahrnehmen von Werten. Über den reinen Funktionswert hinausgehend möchten wir beim Essen sinnlichen Genuß. Und ich sage: auch Architektur muß schmecken, soll sinnlich sein! Saucen sind bedeutender Bestandteil einer guten Küche. Doch wo sind die Saucen in der Architektur geblieben? Warum fehlt jegliche Gestalt und jegliches Ornament? So begebe ich mich auf die Suche nach Antworten auf viele Fragen: Was ist SCHÖN? Was ist HEIMAT? Was schafft KONTINUITÄT? Was ist WAHR? Was hat WERT? Der Text bewegt sich zwischen gebauter Architektur in der Stadt und gekochter Architektur für den Mund hin und her. Meine Rezepte zur Herstellung schmackhafter Speisen habe ich hineinverwurstelt.
„Architektur ist das Ordnen von sozialen Beziehungen durch Gebautes“, so der Philosoph Christian Posthofen. Architektur ist auch ein sozialer Kampfplatz: Wem gehört und wer nutzt das Gebaute? Wer plant es, wer braucht es – und wozu? Wer entscheidet über das Programm, die Finanzierung, die Gestaltung, wenn neue Schulen und Rathäuser, Straßen und Plätze entstehen? Wem gehört die Stadt?
Industrialisierung, Mechanisierung und Rationalisierung. Ich werfe diese Begriffe mal einfach in den Raum, als Hintergrundaroma sozusagen, vor dem sich die Themen dieses Buches aneinanderfügen werden, denn Dampf und Elektrizität haben zu gewaltigsten Veränderungen in unserer Welt geführt, waren eine Initialzündung für die weltweite Verbreitung nordeuropäischer Vorstellung von Zivilisation, von Fortschritt, Wachstum, Globalisierung – und das 20ste Jahrhundert erfand passend zum Fortschrittsglauben die sogenannte Moderne! Die inzwischen massenhaft nur noch weiß, grau und anthrazitfarben daherkommt – den vermeintlich edlen, vornehmen Farben.
BAUEN KOCHEN MACHEN und NEUES FRANKFURTER KOCHBUCH entstanden, weil ich neugierig bin und auf der Suche nach dem, was uns GEBORGENHEIT und ein AUFGEHOBENSEIN in der ZEIT gibt. Einiges ist bloß angedacht, könnte viel ausführlicher hinterfragt werden. Das wäre ein anderes Buch. Mitten in diesem Gebirge vorhandener Texte mich bewegend bin ich ohnehin nur ein Reisender, der hartnäckig nach Orientierungspunkten sucht.
Reich bebildert sind die Bücher, denn das Schauen ist ja das Wichtigste beim Flanieren durch eine Stadt. Nur flanierend bremse ich die ständige Beschleunigung aus, die wir offensichtlich als quasi naturgegeben hingenommen haben.